DIY Datenrettung kommt dich teu(r)er zu stehen
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DIY Datenrettung und YouTube Tutorials

Dass sich die meisten Betroffenen, sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen, bei dem Auftreten eines Datenverlusts an Experten wenden, kommt nicht von ungefähr. Professionelle Datenretter sind erfahren im Umgang mit den meisten Datenverlustszenarien, den Umständen sowie den Verhaltensweisen ausgefallener Datenträger und Systeme. Doch so eine professionelle Datenrettung ist mit Kosten verbunden, welche Betroffene manchmal nicht bereit sind zu zahlen.

Hamburg, Wien - 30. November 2022 - Sebastian Evers

Abwägungssache: Kosten-Nutzen einer Datenrettung

Gegebenenfalls rechtfertigt die Wichtigkeit der Daten den voraussichtlichen finanziellen Aufwand nicht. Daten lassen sich möglicherweise aus anderen Quellen wieder beschaffen, nacharbeiten oder das Budget gibt es schlichtweg nicht her. Unter Umständen wird die Ausgabe der potenziellen Kosten einer Datenrettung auch auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Falls sich die Notwendigkeit des Bedarfs der Daten irgendwann doch noch ergeben sollte. So kann es durchaus sein, dass Unternehmen auch ohne diese Daten noch handlungsfähig sind. Hin und wieder taucht „unerwartet“ doch noch ein vergleichsweise aktuelles Backup auf, durch welches eine Datenrettung des ausgefallenen Systems ohnehin obsolet wird.

Letzter Sargnagel: Undurchdachte Rettungsversuche

Viel zu häufig führen die Aussichten auf die Kosten bei einem professionellen Datenretter zu gravierenden Fehlentscheidungen, was vielen im Regelfall allerdings erst im Nachhinein, wenn es bereits zu spät ist, klar wird.

Unter Datenrettungsexperten herrscht die einhellige Überzeugung: Immer häufiger ist es nicht das ursprüngliche Fehlerbild, das entscheidend über den Erfolg einer Datenrettung ist. Oftmals sind es nämlich die Bemühungen und Rettungsversuche der Betroffenen selbst oder deren IT-Dienstleister, die massiv dazu beitragen, dass sich der Zustand des Datenträgers und somit auch unsere Ausgangsbasis erheblich verschlechtert und schlimmstenfalls überhaupt keine Datenrettung mehr durchführbar ist.

Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint: In Fällen von Datenverlust herrscht unmittelbare Panik und nüchterne, durchdachte Entscheidungen sind Mangelware – blinder Aktionismus herrscht vor. Server, Datenbanken oder Shop-Systeme müssen für die Aufrechterhaltung des Betriebs laufen. Somit wird kurzfristig alles technisch machbare und menschenmögliche versucht, um die Lauffähigkeit wiederherzustellen. Falls etwas schief geht, gibt es ja die Datensicherungen. Spoiler-Alarm: Diese existieren nicht, sind unvollständig, fehlerhaft oder weisen einen antiquierten bis prähistorischen Datenbestand auf.

Erfolgsorientierte Datenrettung ist nichts für Hobby-Bastler

Doch nicht nur im unternehmerischen Bereich können solche Rettungsversuche zu erheblicher Mehrarbeit für die Datenrettungsexperten führen. Schlimmstenfalls kann die flamboyante Bastlerlaune an einer defekten Festplatte kritische Ausmaße annehmen.

Es ist in gewisser Hinsicht nachvollziehbar, dass im Falle eines nicht mehr funktionierenden Datenträgers zuerst alles in eigener Macht stehende in Betracht gezogen wird. Allerdings ist es ein himmelweiter Unterschied, ob man versucht über Software oder einen Computer mit einer Linux Distribution noch Zugriff zu erlangen oder ob man eine Festplatte aufschraubt und an den feinen mechanischen Komponenten „herumfingert“, weil man irgendeinen Ratschlag im Internet dazu gelesen hat. In einigen Fällen kann selbst das weitere unter Strom setzen eines physisch fehlerhaften Speichermediums schadhafte Auswirkungen haben.

Ich möchte nicht ausschließen, dass ein derartiges Unterfangen bei manch einem durchaus geglückt sein könnte. Der dadurch herbeigeführte Erfolg ist aber vielleicht nur ephemerisch oder gar Zufall. Und anstatt die Daten schnellstmöglich auf ein anderes Speichermedium zu sichern, bevor der fehlerbehaftete Datenträger erneut den Geist aufgibt, wird der Datenträger regulär weiter benutzt. Bis es schlussendlich zum totalen Ausfall kommt.

In den schlimmsten Fällen sind die Datenträger durch die vorangehenden „Rettungsmaßnahmen“ dermaßen in Mitleidenschaft gezogen worden, dass diese nur mehr mit immensem Mehraufwand und meist eingeschränktem Teil-Ergebnis oder überhaupt nicht mehr wiederherstellbar sind. Wenn ein sogenannter „fataler Headcrash“ vorliegt, wurde die Magnetschicht der Festplatte bereits so schwerwiegend in Mitleidenschaft gezogen, dass eine Datenrettung technisch ausgeschlossen ist.

Die Krux der YouTube-Tutorials: Festplatten vernichten leicht gemacht!

Beiträge und Kommentare in Foren oder Tutorials auf Videoplattformen wie YouTube befeuern zunehmend das Selbstvertrauen, dass jeder jederzeit jedes Problem lösen kann – sofern man ein baugleiches Ersatzteil vorliegen hat. Es sind gleich mehrere Irrtümer, denen Betroffene in so einem Fall aufgesessen sind.

Eines der größten Probleme bei derartigen Videotutorials ist, in meinen Augen, die inhärente Täuschung des Zuschauers. Niemand kann einwandfrei bestimmen, wie viele Versuche es bisher gebraucht hat, bis eine erfolgreiche Datenrettung es auf Kamera, in den Schnitt und schlussendlich in den Upload geschafft hat. Welche Expertise und Erfahrung hat diese Person tatsächlich? Wie oft ist die Person zuvor schon daran gescheitert? Wie viele Datenträger sind im Zuge der Videoproduktion gegebenenfalls fatal beschädigt worden? Wurden die Daten von dem gezeigten temporär instand gesetzten Datenträger gelesen? Solche Fragen stellt sich der Zuschauer des Videos wahrscheinlich nicht einmal.

Es wird eine einfache Lösung für ein (angeblich) einfaches Problem suggeriert. Aber ob das Problem wirklich so einfach zu lösen war und nicht weitere erschwerende Faktoren hinzu kommen, bleibt für den Zuschauenden meist fraglich. Besonders beliebt scheinen Videoanleitungen zum Wechsel von defekten Schreib-/Leseköpfen. Verschwiegen wird dabei oft, dass nicht nur die Schreib-/Leseköpfe defekt sein können. Zusätzlich könnten auch die ferromagnetischen Oberflächen beschädigt sein. Möglicherweise lag das Problem auch nie an den Köpfen selbst, sondern in der Betriebssteuerung des Laufwerks.

Bedauerlicherweise funktioniert diese Art der Täuschung. Anhand der dadurch generierbaren Klicks und Aufmerksamkeit werden entsprechende Kanäle mit Werbeeinnahmen unterfüttert und werden daher - meiner Einschätzung nach - nicht mit solchen Tutorials aufhören. Sehr zum Leidwesen etwaiger Betroffener, die deshalb mit eventuellen Mehrkosten für eine Analyse sowie Datenrettung, einem dadurch bedingt schlechteren Rekonstruktionsergebnis oder gar der Vernichtung und nicht-Wiederherstellbarkeit ihrer Daten konfrontiert werden.

Auch anekdotische Evidenz, oft in Form von anonymen nicht nachprüfbaren Erfahrungsberichten in Foren und sozialen Medien, aber auch aus der Erzählung eines guten Bekannten, dessen Freundes Freund einen Schwager hat, dessen Tantes Nachbar jemand kennt, der mal von einem ähnlichen Fall bei einem Arbeitskollegen gehört haben soll bei dem dieses oder jenes Vorgehen das Problem angeblich hatte lösen können. Stellt sich unmittelbar die Frage: War es der identische Datenträger? War es das identische Problem? Ist Hörensagen eine veritable Information?

Mittlerweile höre ich seit mehr als einer Dekade die Rezitierung der immer gleichen Ratschläge aus dem Internet. Begleitet von der stetigen Betonung, dass es ja ganz einfach sei die Daten im jeweiligen Fall zu retten und man dafür kein Expertise vorweisen müsste. Das mag in vereinzelten Szenarien zutreffen, in den meisten Fällen führt es jedoch erfahrungsgemäß zu einer Verschlimmbesserung. Und im Worst Case führt der unfachmännische Versuch dazu, dass selbst geschulte und erfahrene Datenrettungstechniker einem nicht mehr helfen können. Außerdem stellt sich dann die Frage, warum es überhaupt Datenrettungsexperten und Forensiker für solche Fälle gibt, wenn es doch so einfach sei, wie manch einer im Angesicht der potenziellen Kosten einer Datenrettung behauptet.

Fazit:

Man sollte sich wirklich zweimal – besser dreimal und öfter – überlegen, ob die vermissten Daten das Risiko wert sind, diese womöglich für immer zu verlieren.

Lautet die Antwort auf die Frage „Ja“, dann kann man seiner Neugier freien Lauf lassen und das eigene technische Geschick auf die Probe stellen.

Wenn die Antwort allerdings „Nein“ sein sollte, ist der Gang zum Experten in jedem Fall empfohlen und alternativlos.

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Peter Franck
Technischer Geschäftsführer
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